Magda Goebbels (1): “Eine schöne, schöne Frau”
Einer der schillerndsten Frauen im Nationalsozialismus war Magda Goebbels, die Frau des Propagandaministers Joseph Goebbels.
Wer war diese Frau, die bei einem jüdischen Stiefvater aufgewachsen ist, sich nie für Politik interessiert hat und am Ende ihre sechs Kinder dem „Führer“ opferte? Eine Fanatikerin – oder eine Lebensmüde?
Magda Goebbels Teil 1
Magda Quandt
Als Maria Magdalena Quandt, geborene Behrend (der Mädchenname ihrer Mutter, denn Magda wurde unehelich geboren), adoptierte Friedländer (der Name ihres jüdischen Stiefvaters) und anerkannte Ritschel (der Name ihres leiblichen Vaters) an einem Sommerabend des Jahres 1930 im Berliner Sportpalast der Rede des Berliner Gauleiters Joseph Goebbels lauscht, ist sie eigentlich eine „gemachte“ Frau.
Magda ist bildschön, noch keine 30 Jahre alt, intelligent und sehr wohlhabend, denn sie wurde gerade sehr lukrativ von ihrem Ehemann, dem Multimillionär Günther Quandt, geschieden.
Porträt Magda Goebbels 1933
Bundesarchiv, Bild 183-R22014 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de
Sie hatte den Industriellen zu Beginn der 1920er Jahre bei einer Zugfahrt auf dem Weg ins Pensionat für höhere Töchter kennengelernt.
Quandt, doppelt so alt wie Magda, gerade verwitwet und Vater zweier Söhne, ist fasziniert von Magdas Schönheit und ihren angenehmen Umgangsformen; sie von seinen maßgeschneiderten Anzügen und den opulenten Blumensträußen, die er im Mädchenpensionat vorbeibringt, wenn er auf der Durchreise ist.
Zum Entsetzen seiner Familie macht Quandt der schönen Magda kurze Zeit später einen Heiratsantrag. Nach einigem Hin und Her, nimmt sie ihn an. Am 4. Januar 1921 findet die Hochzeit in Bad Godesberg statt.
Magda ist 19 Jahre alt, Günther Quandt 39.
Doch das glamouröse Leben, das sich Magda an der Seite eines reichen Ehemanns erträumt hat, findet nicht statt.
Günther Quandt, 1941
Bundesarchiv, Bild 183-B03534 / Dorneth / CC-BY-SA 3.0
Quandt parkt seine blutjunge Ehefrau in seiner weit abgelegenen Villa am Griebnitzsee, wo sie den Haushalt führen und Quandts Söhne aus erster Ehe betreuen soll. Die sind fast im gleichen Alter wie ihre Stiefmutter.
Ihr frischgebackener Ehemann widmet sich derweil mit preußisch-pedantischer Disziplin der Mehrung seines damals schon beträchtlichen Vermögens.
Er verlässt um 7.30 Uhr das Haus, kommt abends um 19.30 Uhr zurück, um dann, nach dem Abendessen, bei der Lektüre der „Berliner Börsenzeitung“ einzunicken.
Im November 1921 bringt Magda den gemeinsamen Sohn Harald zur Welt und hält vermutlich auch seinetwegen noch ein paar Jahre im goldenen Quandt’schen Käfig am Griebnitzsee aus. Aber nach acht Jahren Eheleben reicht es ihr. Sie legt sich einen Liebhaber namens „Ernst“ zu, angeblich ein Student aus gutem Hause.
Zum Leidwesen ihres gehörnten Gatten versteckt Magda ihre Affäre nicht, sondern besucht mit „Ernst“ in aller Öffentlichkeit Theateraufführungen und Bälle; einmal übernachtet sie sogar mit ihm in einem Hotel, was dem empörten Quandt schnell zugetragen wird.
Wer war Magdas Geliebter?
Merkwürdigerweise ist trotz ihrer öffentlichen Affäre die Identität von Magdas Geliebten bis heute im Dunklen geblieben. Einige Historiker und Biografen vermuten, dass es sich bei „Ernst“ um niemand anderen als Magdas Jugendliebe Viktor Chaim Arlosoroff handeln könnte, mit dem sie als Schülerin eng befreundet war, und den sie heiraten wollte.
Der charismatische Arlosoroff ist allerdings zum Zeitpunkt der möglichen Liason mit einer anderen verheiratet – einer Jüdin und keiner „Schickse“ wie Magda. Er lebt hauptsächlich in Palästina, wo er Karriere gemacht hat und eine Art Außenminister der Jewish Agency ist.
(Arlosoroff wird 1933 unter seltsamen Umständen am Strand von Tel Aviv erschossen. Seine Mörder konnten offiziell nie ermittelt werden.)
Magdas große Leere
Wer auch immer „Ernst“ gewesen sein mag – Quandts Geduld mit seiner jungen Frau ist begrenzt. Entnervt von ihren Eskapaden reicht er die Scheidung ein, verbietet Magda das Betreten seiner Villa und den Umgang mit ihrem gemeinsamen Sohn.
Aber Magda hat vorgesorgt.
Sie erpresst ihren scheidungswilligen Gatten mit Briefen, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfen, was Quandt schließlich zum Einlenken zwingt.
Er billigt ihr schließlich eine großzügige Apanage zu, von der sie sich eine luxuriöse Sieben-Zimmer-Wohnung in Berlin am Reichskanzlerplatz 2 leisten kann. Außerdem darf Harald bis zu seinem 14. Lebensjahr (oder ihrer Wiederverheiratung) bei ihr bleiben.
So sitzt sie nach der Scheidung im Sommer 1929 mit Kind, Köchin und Dienstmädchen, dem Geliebten und allen Annehmlichkeiten, von denen die meisten Deutschen zu jener Zeit nur träumen können, in ihrer prachtvollen Sieben-Zimmer-Wohnung im Zentrum Berlins – und langweilt sich.
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Das Leben in den Goldenen Zwanziger Jahren
der Tanz auf dem Vulkan, die Wirren der Politik — das ist das Thema von Volker Kutschers Gereon-Rath-Krimireihe, die Vorlage für diese absolut sehenswerte Serie, eine geniale Mischung aus Krimi und History-Drama
Magda leidet an jener Form der Müßiggangs, die Baudelaire im ausgehenden 19. Jahrhundert bei den Schönen und Reichen so treffend als ennui beschrieben hat: Ein fades Leben, weil es keine Aufgabe, keine Leidenschaft und keine offenen Wünsche mehr gibt, für die sich das Aufstehen am Morgen lohnt.
Auch Langeweile kann müde und todunglücklich machen, wenn die einzige Zerstreuung im Leben aus Mode, Liebe und gesellschaftlichem Amüsement besteht.
„Wieder einmal klagt Magda, nach reichlichem Genuss von Alkohol, ihren Freunden, dass sie es nicht mehr aushalte, dass sie Angst habe, verrückt zu werden, dass ihr Leben sie anwidere und dass sie vor Langeweile sterben könne.“
Auf Anraten ihres guten Bekannten Prinz „Auwi“ (August-Wilhelm, ein Sohn des abgedankten Kaisers Wilhelm II.) wendet sich Magda der Politik zu. Eigentlich interessiert sie sich nicht dafür, aber in ihrer Verzweiflung ist ihr jedes Mittel gegen ihre Langeweile recht.
Sie schließt sich dem „Nordischen Ring“ an, einem exklusiven Club der besseren Gesellschaft, der sich mit den Ideen der NS-Ideologie beschäftigt – und gemeinsam Wahlkampfveranstaltungen besucht.
Joseph Goebbels, Gauleiter Berlin
Der „Doktor“, Dr. Paul Joseph Goebbels, Gauleiter von Berlin, hat von seinem „Führer“ die Herkules-Aufgabe bekommen, die „rote“ Hauptstadt für die Nationalsozialisten so aufzumischen, dass sie braun wird.
Eine Bewährungsprobe, die Goebbels sehr ernst nimmt. Denn sein Ziel ist es, im kommenden nationalsozialistischen Deutschland, an das er fest glaubt, einer der wichtigsten Männer neben „seinem“ Hitler zu werden.
Und so wütet er sprachgewaltig auf unzähligen Wahlkampfveranstaltungen.
So oft es geht, lässt er außerdem “seine” SA von der Leine, die sich für ihn und „die Sache“ in möglichst vielen blutigen Straßen- und Saalschlachten mit Kommunisten und sonstigen Feinden prügelt.
Die Berliner sollen den Eindruck bekommen, dass Bürgerkrieg herrscht.
Auf den Straßen für Unruhe sorgen — und im Reichstag lautstark die Unruhe auf den Straßen beklagen. Die NSDAP soll als die Partei dastehen, die für “Ruhe und Ordnung” sorgen kann, als neue Ordnungsmacht, die das vollbringt, was die alten “Systemparteien” angeblich nicht leisten können …
Bad news are good news: Das hat auch Joseph Goebbels aus Rheydt in der Nähe von Düsseldorf schon längst kapiert. Mit bad kennt er sich aus, denn im Leben von Joseph Goebbels ist — seiner Meinung nach — vieles schlecht.
Von der sprichwörtlichen rheinländischen Lebensfreude ist dieser Paul Joseph Goebbels ungefähr so weit entfernt wie Adolf Hitler vom Friedensnobelpreis.
Auf der Suche nach Erlösung
Goebbels ist einer, der hoch hinaus will und nach Anerkennung und Größe giert, sich dabei aber immer wieder in seiner eigenartigen Mischung aus Selbstzweifeln und Größenwahn verheddert.
- Er ist ein Mann mit einer deutlichen narzisstischen Persönlichkeitsstörung, wie Goebbels-Biograph Peter Longerich anmerkt. Goebbels ist in kleinbürgerlich-katholischen Verhältnissen großgeworden, war ein brillanter Schüler und hatte einen großen Freundeskreis.
Der seit seiner Kindheit durch eine Erkrankung verkümmerte Fuß, der ihn für alle deutlich sichtbar hinken lässt, zwingt ihn ein Leben lang eine orthopädische Stützmontur zu tragen.
Aber das scheint ihn kaum zu beeinträchtigen.
Auch seine für einen Mann relativ kleine Körpergröße von 1 Meter 65, sein schmächtiger Oberkörper, auf dem der Kopf viel zu groß wirkt, sind scheinbar kein Problem (bringen ihm aber später die gehässigen Beinamen „Schrumpfgermane“ und „Humpelstilzchen“ ein).
Nach der Schule ermöglichen ihm seine Eltern unter großen finanziellen Mühen ein Geschichts- und Germanistik-Studium.
Das wird allerdings fast zum Debakel, weil er sich Hals über Kopf in Anka Stalherm verliebt, einer Jurastudentin aus gutem Hause. Statt sich seinen Vorlesungen zu widmen, schreibt er Liebesgedichte oder vertraut seinen Kummer mit der flatterhaften Geliebten seinem Tagebuch an.
Das hatte ihm einst seine Mutter geschenkt, damit er sich „seine Bitterkeit vom Herzen schreiben“ kann.
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Das kurze und aufregende Leben in der Zwischenkriegszeit
Die Weimarer Republik zwischen Aufbruch und Untergang.
Ein großartig und spannend geschriebenes Panorama einer Zeit, in der alles neu war: Demokratie, Körperkult, Liebe, Architektur, Mode, Emanzipation und vieles mehr. Sehr lesens- bzw. hörenswert!
Als Anka ihn nach einer kräftezehrenden On-Off-Beziehung, für die er mehrmals die Uni wechselt, verlässt und einen anderen heiratet, bricht für ihn eine Welt zusammen.
Zu Beginn der 1920er Jahre ist Goebbels – ähnlich wie Hitler in seinen Wiener Jahren vor dem 1. Weltkrieg – eine ziemlich verkrachte Existenz.
Er schließt sein Studium ab, promoviert und versucht sich danach als Dichter, Journalist und schließlich, weil er Schulden hat, als Angestellter eines jüdischen Bankhauses.
Aber er scheitert, egal was er anpackt. Auch mit seinen zahlreichen Artikeln, Theaterstücken und Buchmanuskripten blitzt er bei Zeitungen und Verlagen immer wieder ab.
Weltschmerz und Weltverschwörung
Anders ist es bei Frauen.
Die fehlenden beruflichen und schriftstellerischen Erfolge und den noch viele Jahre schmerzenden Liebeskummer wegen Anka versucht er durch seinen „Schlag bei Frauen“ zu kompensieren, den er zweifellos hat:
„ … ‚Warum empfinde ich keinen inneren Konflikt, da ich von Elisabeth scheide und zu Else gehe‘, fragte er sich, als er kurz vor Weihnachten nach Rheydt aufbrach. Doch solche Gewissensbisse vertrieb er schnell: ‚Mein Herz ist so weit, daß zwei Frauen darin Platz haben können.‘
Und so verbrachte er das Weihnachtsfest und Silvester mit Else und zwischendurch einen sehr langen Abend mit Elisabeth in Elberfeld. ‚Morgen sehe ich Elselein! Freitag Elisabeth! Beide freuen sich auf mich! Und ich freue mich auf sie beide! Bin ich ein Betrüger?‘ …“
Joseph Goebbels Tagebuch
Aus Volker Ullrich: Adolf Hitler, Biographie – Die Jahre des Aufstiegs*
Doch weder Elselein noch Elisabeth können ihn vor seiner Perspektivlosigkeit retten: Im Sommer 1924, in dem nach Jahren der Unruhe auch in Deutschland sehr zaghaft die Goldenen Zwanziger Jahre beginnen, sitzt er deprimiert und mutlos zuhause in Rheydt – „ich komme nicht aus dem Kaff heraus“ –, pflegt seinen Weltschmerz und ist zornig.
- Zornig auf die „jüdisch-kapitalistische Weltverschwörung“, die in Form von Verlegern und Zeitungsmachern seine schriftstellerische Brillanz nicht erkennt und seine Manuskripte nicht drucken will. Zornig auf das Weimarer Establishment und alle anderen Etablierten. Und die Kapitalisten, die Katholiken, die Juden und die Kommunisten hasst er sowieso.
Es ist die Stimmungslage eines „Zu-kurz-Gekommenen“. Für die hat man bei den Nationalsozialisten tiefstes Verständnis und vor allem: Verwendung.
„Adolf Hitler, ich liebe dich!”
Gerettet“ wird der deprimierte Goebbels schließlich in jenem Sommer 1924, als er einen Freund zu einem Parteitag der Völkischen nach Weimar begleitet.
Zu diesem Zeitpunkt ist Adolf Hitler schon längst der unangefochtene Superstar unter den rechtsextremen Rednern, der mit seiner Hetze gegen Juden und die „Novemberverbrecher“ der Weimarer Republik große Hallen mit ekstatischen Anhängern füllt.
In Weimar tritt Hitler allerdings nicht auf, denn er sitzt in Landsberg am Lech in Festungshaft. Dort brummt er seine – sehr milde – Strafe wegen des gescheiterten Putschversuchs am 8. und 9. November 1923 in München ab und schreibt an seinen Memoiren, die später unter dem Titel „Mein Kampf“ zum Bestseller werden.
Zwar ist damit der eigentliche Star der rechtsextremen Szene verhindert, trotzdem fängt Goebbels Feuer. Er schließt sich der Bewegung an, schreibt seine Artikel jetzt für diverse völkisch-nationale Gazetten – und wird endlich gedruckt.
Auch als Redner macht er sich bald einen Namen.
Schließlich lernt Goebbels sein Idol persönlich kennen, rückt dank seiner unzweifelhaft vorhandenen Talente in den engeren Kreis von Hitlers Vasallen und scheint endlich seine Bestimmung gefunden zu haben,
Für Goebbels ist Hitler – wie später für die meisten Deutschen – ein Heilsbringer, den er wie einen Messias verehrt:
„ … Adolf Hitler, ich liebe Dich, weil du groß und einfach zugleich bist.“
Joseph Goebbels Tagebuch am 19.4.1926,
Aus Volker Ullrich: Adolf Hitler, Biographie – Die Jahre des Aufstiegs*
Hitlers Hofstaat
Der gelangweilten Magda Quandt scheint die Rede des Berliner Gauleiters Joseph Goebbels gut gefallen zu haben, denn wenige Tage später wird sie Mitglied der NSDAP.
Sie meldet sich als freiwillige Helferin bei der Ortsgruppe ihres Stadtteils. Dort überträgt man ihr, erstaunt und geehrt, dass eine so feine Dame sich ihnen anschließen will, sofort die Führung der örtlichen NS-Frauenschaft.
Das ist keine gute Idee, denn die Frauen, die sie führen soll – einfache Arbeiterinnen und Verkäuferinnen –, begegnen der schönen, immer elegant und teuer gekleideten Magda mit Neid und Misstrauen. Sie gibt ihr Ehrenamt deshalb schnell wieder auf und wird schließlich ans NSDAP-Hauptquartier in der Hedemann-Straße verwiesen, wo sie im Zeitungsarchiv mithelfen soll.
Eines Abends, Magda ist gerade auf dem Nachhauseweg, trifft sie dort auf der Treppe einen kleinen, schmalen Mann, der beim Gehen einen Fuß nach sich zieht und in seinem schäbigen Trenchcoat ziemlich zerknautscht aussieht.
Es ist der „Doktor“, der auf den ersten Blick für die „schöne Frau Quandt“ entflammt.
Goebbels lässt bei attraktiven Frauen grundsätzlich nie etwas anbrennen, weshalb er sie nach einem kurzen Gespräch sofort für den nächsten Tag in sein Büro bestellt. Er macht Magda den Vorschlag, ab sofort als seine „Privatarchivarin“ zu arbeiten.
Sie soll, so Goebbels Plan, Artikel und Berichte, die ihn, aber auch die restliche NSDAP-Führungsspitze betreffen, aus in- und ausländische Zeitungen sammeln und archivieren.
Magda willigt ein.
Das Privatarchiv, das Magda jetzt zusammenstellt, ist eine raffinierte Idee, denn es liefert Goebbels im parteiinternen Gerangel um Hitlers Gunst immer genügend Munition gegen Rivalen und Widersacher.
Zwar hat sich seine Position als Hitlers Mann in Berlin und „Reichspropagandaleiter der NSDAP“ nach der für die Nationalsozialisten erfolgreichen Septemberwahl 1930, bei der die NSDAP kometengleich von einer kleinen Splitterpartei zur zweitgrößten Fraktion im Reichstag aufsteigen, gestärkt.
Aber sicher sein kann man sich beim „Führer“ nie.
Die ständige Unsicherheit ist Programm.
„Teile und herrsche“ ist Hitlers Devise, mit der er seinen Hofstaat manipuliert und gefügig hält.
Unter Hitlers Vasallen gab es nie klare Kompetenz- und Aufgabenverteilung, weshalb sich Parteiobere und ‑organisationen ständig ins Gehege kamen. Man arbeitet mehr gegeneinander als miteinander.
Ein cleverer Schachzug, durch den sich niemand seiner Stellung in der NS-Hierarchie sicher sein konnte und alle im Dunklen tappten. Nur der “Führer” war allmächtig — und das sollte auch so bleiben.
Auf besonders fruchtbaren Boden fällt dieser Führungsstil bei Joseph Goebbels, der seinem „Führer“ in tiefster Nibelungentreue verbunden ist:
„ … Hitler, der Goebbels‘ psychische Abhängigkeit von ihm schnell erkannt hatte, nutzte sie in den zwei Jahrzehnten ihrer Beziehung konsequent aus. Er wusste, dass er Goebbels durch Lob zu äußersten Leistungen beflügeln, durch kleine Distanzierungen aber in tiefe Verzweiflung stürzen konnte.“
Aus Peter Longerich: Joseph Goebbels, Biographie*
„Eine schöne, schöne Frau!”
Goebbels erwartet viel von seiner neuen Privatarchivarin.
Er lässt sie unzählige Überstunden machen und behandelt sie mit ausgesuchter Kühle und Zurückhaltung – wohlwissend, dass er damit bei einer verwöhnten Frau wie Magda mehr Eindruck schinden kann als durch Komplimente und offensichtliches Werben.
Seine Taktik geht auf, Magda entwickelt für ihn eine Art Mutter- und Fürsorgekomplex: „Der arme Mann ist so schlecht gekleidet, weil sich keine Frau um ihn kümmert, wie er das bei seinem aufreibenden Leben eigentlich gebraucht hätte“, soll sie zu ihrer Ex-Schwägerin und besten Freundin Ello (Eleonore) Quandt gesagt haben.
Sie betont aber auch, dass sie sich nie in Goebbels verlieben könnte.
Vielleicht war Magd nicht verliebt, erobern konnte er sie trotzdem.
Im Februar 1931 meldet Goebbels Vollzug:
„ … Abends kommt Magda Quandt. Und bleibt sehr lange. Und blüht auf in einer berückenden blonden Süßigkeit. Wie bist du meine Königin? (1) Eine schöne, schöne Frau! Die ich wohl sehr lieben werde. Heute gehe ich fast im Traum. So voll gesättigtem Glück. Es ist doch herrlich, eine schöne Frau zu lieben und von ihr geliebt zu werden …“
Aus: Anja Klabunde: Magda Goebbels – Annäherung an ein Leben*
Da der „Doktor“ nicht nur ein fanatischer Tagebuchschreiber war, sondern auch sein Liebesleben akribisch notiert (und durchnummeriert), weiß man heute sehr genau über den weiteren Gang der Romanze zwischen dem Gauleiter und der schönen Magda Quandt Bescheid.
Nach einem kurzen ersten Liebesrausch (2, 3, 4) wird es kompliziert, denn Magda hat ihre Affäre mit „Ernst“ noch nicht beendet.
Außerdem quält sie ihren eifersüchtigen neuen Liebhaber – absichtlich oder unabsichtlich? – mit Erzählungen aus ihrem früheren Leben.
- „Sie hat zu viel geliebt“, jammert Goebbels in sein Tagebuch, „ … und nun liege ich bis in den frühen Morgen und werde von der Peitsche der Eifersucht geschlagen“.
„Krach mit Magda“ lautet ab sofort ein häufig wiederkehrender Eintrag. An anderer Stelle schwadroniert er darüber, dass er sie „formen“ müsse, um mit ihr glücklich werden zu können.
Nicht ganz Dame …
Viele Biografen und Historiker gehen davon aus, dass aus Goebbels und Magda niemals ein Ehepaar geworden wäre, wenn Hitler nicht ins Spiel gekommen wäre. Denn als der „Führer“ im Herbst 1931 Goebbels neue Freundin kennenlernt, scheint auch bei ihm der Blitz einzuschlagen – und umgekehrt.
Nach den ersten Treffen spricht der „Führer“ gegenüber seinen Adjutanten über seine großen Gefühle für Magda; von fürsorglicher Freundschaft ist die Rede, die er zwar einmal zu seiner Nichte Geli Raubal, aber nie bei anderen Frauen empfunden habe.
(Hitlers Nichte Geli Raubal ist kurz zuvor, im September 1931, erschossen in Hitlers Münchner Wohnung in der Prinzregentenstraße aufgefunden worden. Vermutlich hat sie Selbstmord begangen.)
Magda und Hitler?
Der notorisch eifersüchtige und misstrauische Goebbels tobt. In seinem Tagebuch beklagt er sich, dass Magda in ihrem Verhalten gegenüber Hitler „nicht ganz Dame“ sei.
Der „Führer“ äußert sich derweil darüber, dass „diese Frau in meinem Leben eine große Rolle spielen“ und ihn als „weiblicher Gegenpol“ in seiner Arbeit unterstützen könne.
„Schade, daß sie nicht verheiratet ist.“
Hitler und die Frauen: Weil er aus taktischen Gründen unverheiratet bleiben will (um seine weiblichen Anhänger nicht zu verschrecken), soll Magda, sobald sie verheiratet ist, an seiner Seite Repräsentationsaufgaben bei Staatsbesuchen und Empfängen übernehmen und die Gastgeberin spielen.
Goebbels’ Dauerkonkurrent Göring warnt indessen vor „Goebbels‘ Pompadour“. Und der französische Botschafter in Deutschland, André François-Poncet, vor Magdas kalten Augen:
„ … Heute abend, auf dem Ball, war Magda wirklich schön. Keine Juwelen außer einer echten Perlenkette um den Hals. Ihr goldenes Haar ist nicht gefärbt, es ist echt. Ihre großen, schillernden Augen, die die Farbe von Stahlgrau bis Dunkelblau ändern können, strahlen eisige Entschlossenheit und ungewöhnlichen Ehrgeiz aus.
‚Wie gefällt sie Ihnen?‘ fragte François-Poncet. Und ohne meine Antwort abzuwarten, fügte er hinzu: ‚Ich habe nie so eiskalte Augen bei einer Frau gesehen.‘ …“
Aus dem Tagebuch der Journalistin Bella Fromm
zitiert nach Rüdiger Barth, Hauke Friedrichs, Die Totengräber: Der letzte Winter der Weimarer Republik*
Copyright: Agentur für Bildbiographien, www.bildbiographien.de, 2020 (überarbeitet 2024)
Lesen Sie im nächsten Beitrag: Nach der Hochzeit und der Geburt der Kinder wird aus Goebbels’ eifersüchtig bewachten Magda seine ‘gute Alte’. Er hat unzählige Affären und als er sich neu verliebt, bittet er Magda um eine “Ehe zu dritt”.
Wer war Magda Goebbels — der zweite Teil ihrer Lebensgeschichte.
Magda Goebbels (2): “Der Bock von Babelsberg”
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Bildnachweise:
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Günther Quandt, 1941. Von Bundesarchiv, Bild 183-B03534 / Dorneth / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de
Goebbels, Joseph: Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Gauleiter Berlin, Deutschland. Von Bundesarchiv, Bild 146‑1968-101–20A / Heinrich Hoffmann / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de
“Der Propagandachef der Nationalsozialisten für die kommende Reichspräsidentenwahl !
Dr. Goebbels, der Reichs-Propagandachef der Nationalsozialisten für die Reichspräsidentenwahl.” Februar 1932: Gauleiter von Berlin
Von Bundesarchiv, Bild 102–13168 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de,
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